Er
lächelte. Alles war doch noch wie in den Jahren zuvor – was er nur
gehabt hatte! „Wasserschutzgebiet“. Dasselbe rechteckige
Hinweisschild wie eh und je und daneben das dreieckige mit der Eule
„Landschaftsschutzgebiet“. Nichts deutete darauf hin, dass hier
inzwischen die Außenstation eines biologischen Forschungsinstituts
eröffnet haben sollte. Im lokalen Werbeblättchen war dazu ein
kleiner Artikel erschienen. Es wurde vor dem wilden Baden im Testsee
gewarnt. Man erprobe neuartige Methoden der Sauberhaltung des
Wasserbiotops. Biologische. Solche, bei denen alle Stoffe, die
komplizierter als H2O waren, radikal und schnell abgebaut würden.
Klar. Zu Beginn jeder Saison wurden Storys verbreitet, die den
Einsatz von Ordnungskräften gegen die Wildbader von vornherein
unnötig machen sollten. Natürlich vergeblich.
Hinter
Reinhard ruhte die Reihe der parkenden Autos am Straßenrand.
Eindeutig zu viele, als dass sie alle den Anwohnern gehören konnten.
Schnell rüber über die Marienstraße. Nun ging es nur noch den
schmalen Pfad weiter. Wenn Reinhard jetzt eine Familie im Gänsemarsch
oder Radfahrer entgegengekommen wären, hätte er auf den Wiesenrand
ausweichen müssen. Es kam aber niemand. Dafür stieß er auf den
Hauptweg und der tauchte in ein strauch- und baumkronenüberschattetes
Wegstück ein. Man musste schon wissen, wohin man wollte. Er wusste
es. Nun kam die nächste Gabelung. Rechts die Strandecke für die
Ghetto-Nackten, links der freie Strandabschnitt, an dem sich Nackte
und Textilierte relativ harmonisch mischten. Vielleicht die
Bekleideten eher weiter hinten, zur Insel hin.
Reinhard
wählte den linken Pfad. Das hatte einen Nachteil: Er ging direkt auf
den Müllpunkt zu.
Der
Müllpunkt war ein typisches Produkt deutscher Bürokratie. Natürlich
durfte es an dem See keine Badestelle geben. Wo keine war, konnte es
aber auch keine sanitären Einrichtungen, Müllsammelplätze und
ähnliche dazu gehörende Dinge geben. Andererseits gab es diese
Badestelle seit Jahrzehnten. Richtiger: Es wurde rund um den gesamten
See gelagert, um zu baden, nur an dieser Stelle eben geballt. Also
hatte irgendwann einmal jemand am Beginn dieses Strandes, der kein
Badestrand sein durfte, eine Stange eingepflanzt und an dieser Stange
einen großen blauen Plastiksack befestigt. So hätte „man“ dort
seinen Müll hineinstopfen können.
Der
Sack wurde jeweils Anfang des Jahres ausgetauscht. Reinhard kannte
den Platz um den Müllsack nur in immer gleichem Zustand: Etwa im
Umkreis von zwei Metern lagen Joghurtbecher und Reste vergangener
Zeiten so sorgsam verstreut, als hätten Wildschweine die Hoffnung
auf Fressbares zu spät aufgegeben. Vielleicht sollte dieser Anblick
die eintreffenden Badelustigen von ihrem Vorhaben abhalten. Schon
lange gingen die aber mit galantem Wegseh-Blick daran vorüber.
Natürlich auch Reinhard. Diesmal aber hatte der blaue Sack einen
Bruder bekommen, und jemand hatte sehr sorgfältig allen
herumliegenden Müll beseitigt. Jedenfalls war kein einziges Teil zu
sehen, das nicht natürlich gewachsen wäre. Badende waren allerdings
so viele am Rand des Sees verstreut wie in den Jahren zuvor.
Reinhard
fand es gut. Endlich kümmerte man sich um das Wohlbefinden der
Badegäste. Er entledigte sich seiner Kleidung. Achtlos platzierte er
sie neben der ausgebreiteten Decke und den Schuhen. Noch ein
Kontrollblick: Es waren keine Hirsche in unmittelbarer Nähe. ...
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